Die Musik der CD »Trio Kontraszt« folgt den Anregungen des großen György Szabados
Von Mathias Bäumel – Geheimnisvoll, anregend, bizarr, in fremder Weise vertraut – das war die Musik, die uns in der späten Mitte der siebziger Jahre mit der ungarischen Langspielplatte »Az esküvő« (The Wedding) entgegenklang. Diese Platte hatte Biss, war Wasser auf die Freejazz-Mühlen, und war dennoch anders – irgendwie durchkomponierter als vieles, was uns damals als Freejazz bekannt war. Ihr Komponist und Pianist: der ungarische Musiker György Szabados. Die weitere Besetzung neben ihm: Schlagzeug, Bass und Geige. Das Besondere war die ziemlich strenge Strukturiertheit sowie die irgendwie nach Bartók klingende Melodik und Rhythmik der Musik.
István Grencsó (sax) und Tamás Geröly (dr) musizierten schon in den Achtzigern zusammen in verschiedenen Projekten, ab Anfang der Neunziger auch manchmal mit dem über fünfzehn Jahre älteren Szabados, den sie sehr verehrten. Nach einer längeren Pause kamen Grencsó und Geröly wieder zusammen; ihr erstes gemeinsames Konzert seit Jahren – als Gäste des Pianisten Istvan (Stevan) Kovacs Tickmayer am 10. Juni 2011 zum Mediawave Festival Budapest – wurde überschattet – ausgerechnet vom Tode Szabados’, der genau am Abend dieses Konzertes starb. Das war der tragische, aber auch konstruktive Startimpuls für die Aufnahmen dieser CD, die mit ihrer Musik eine Verneigung vor dem großen Meister und Lehrer vornimmt, gleichzeitig aber echt Eigenes zelebriert. Mit Tickmayer ist ein Pianist und Komponist mit von der Partie, der international zu den besten und eigenwilligsten Komponisten der Gegenwart gezählt wird.
Die CD enthält je drei Kompositionen von Grencso bzw. Tickmayer, die in der Abfolge durchsetzt sind von zehn kurzen, im Trio er-improvisierten Fragmenten. Die Stücke wirken sehr durchgestaltet, in Sound und Struktur kontrastreich (nomen est omen!), im Gegensatz zu mancher Musik Szabados’ erinnern sie etwas weniger an Bartók oder an siebenbürgische Folklore (trotz der gelegentlichen Verwendung des siebenbürgischen Instrumentes Gardon), sondern manchmal eher an Popmusik, ohne wie eine solche zu klingen (z. B. der Beginn von »Billiard« ruft wie von Ferne den Start des Liedes »Sose mondd a mamának« von Locomotive GT herbei). Musikalische Gedanken werden, ganz leicht wirkend, einander wie Bälle zugespielt, warme Sounds mit Bassklarinette oder Orgel bzw. Harmonium herbeigezaubert, hymnische Melodien zelebriert, harte, wilde Soli hinausgeschrien. Die Musik hat eine Kraft und eine Schönheit, wie sie vom Freejazz her bekannt sind, aber im Kontrast dazu (nochmal nomen est omen!) verfügt sie darüber hinaus über einen Gestaltungssinn und über einen inneren Zusammenhang, der sie der europäischen zeitgenössischen Konzertmusik nahe bringt – wie auch die von György Szabados. Ein Hörerlebnis!