Von Miriam Hasenkampf – Wer sich im Dezember nicht nur mit Glühwein warm und mit Plätzchen bei Laune halten will, dem sei „New Way“, ein Blues und Boogie Album des niedersächsischen Jungpianisten Luca Sestak, ans Herz gelegt. Denn der erst 19-Jährige vermittelt mit seinem facettenreichen Klavierspiel Lebensfreude und Energie. Auf dem Album „New Way“, welches 2014 auf CD in raffinierter Vinyl-Optik erschienen ist, findet sich Jazz, der sich nicht in eine Schublade stecken lässt: bluesige Kompositionen neben klassischem Boogie (sehr schön: „Laci’s Boogie“), aber auch eine poppige Ballade („For Her“) und klassische Interpretationen (z.B. von Chopins „Frederic’s dream“). Dabei fahren einem vor allem die Boogie Stücke mit schnellem Tempo in die vereisten Tanzbeine. Von den 13 Songs, die Sestak alle selbst auf dem Klavier eingespielt hat, sind neun Eigenkompositionen. Nur bei zwei der 13 Stücke erhielt er Unterstützung am Schlagzeug durch Johannes Niklas. Die JazzZeitung hat dem jungen Künstler Fragen zu seinem Album, seinen persönlichen musikalischen Vorlieben und seinen bereits gemachten Erfahrungen und Erlebnissen auf der Bühne gestellt:
JazzZeitung: „New Way“ ist bereits Dein zweites Studioalbum. Davor hast Du 2010 das Album „Lost in Boogie“ aufgenommen. Worin lag beim zweiten Album die Herausforderung?
Luca Sestak: Mein erstes Album habe ich zusammen mit einem Tontechniker aufgenommen, das hat mir natürlich eine Menge Arbeit erspart. Bei „New Way“ habe ich alles selbst gemacht, von den Aufnahmen über das Abmischen und Bearbeiten bis zum Coverdesign. Ich glaube, das ist so ein Tick von mir, ich habe gerne die Kontrolle über alles und mache so viel wie möglich selbst, damit das Ergebnis dann am Ende genau so ist, wie ich es mir vorstelle. Das war natürlich nicht einfach und ich hatte mit etlichen Schwierigkeiten zu kämpfen, aber umso stolzer bin ich jetzt, wo ich alles geschafft habe.
JazzZeitung: Welchen neuen Weg (New Way) gehst Du mit deinem zweiten Album?
Sestak: Ja, das ist genau die Kernfrage des Albums, die sich am besten klärt, wenn man es anhört. Ich versuche, die alten Hörgewohnheiten und Erwartungen von Blues und Boogie auf dem Piano aufzulösen und der Musik neue Energie einzuhauchen. Das geschieht meistens unbewusst, man wird ja durch alles, was einem gefällt und was man hört, beeinflusst. So fließen eben verschiedenste Stilrichtungen in das Album und auch in die Stücke selbst ein und alles vermischt sich – Blues, Boogie, Jazz, New Orleans und Klassik. Sogar heutige Popmusik und Funk haben ihren Platz in den Kompositionen gefunden. Vielleicht findet dadurch auch der ein oder andere Zuhörer in meinem Alter zu dieser Musik.
JazzZeitung: In Deiner Biografie auf Deiner Homepage schreibst Du, dass Du bereits schon mit elf einen YouTube-Kanal hattest, um auf diesem Weg deine Musik publik zu machen. Welche Rolle spielte dieses Portal in Bezug auf deine Entwicklung und deinen Stil?
Sestak: Durch YouTube habe ich die Musikrichtung Jazz überhaupt erst entdeckt! Man kann dort unzählige phänomenale Künstler entdecken. Das hat mich beeinflusst und das tut es auch heute noch. Also eine sehr entscheidende Rolle – meine ersten Videos habe ich eigentlich ohne größere Erwartungen hochgeladen, ich wollte einfach mal schauen was passiert. Nachdem ich ein paar Tage später wieder reingeschaut habe, war ich dann doch sehr erstaunt, dass sie schon über 1.000 Aufrufe hatten. Das war natürlich ein großer Ansporn und so hat sich das Ganze mit der Zeit zu einer Art künstlerischen Existenzbasis für mich entwickelt – mehr als 10 Millionen Aufrufe hätte ich mir nie erträumt und ich bin wirklich allen meinen Zuhörern dafür wahnsinnig dankbar. YouTube ist eine riesige Hilfe für mich und ich plane auch in nächster Zeit mal wieder neue Videos zu machen.
JazzZeitung: Gibt es neben den Blues-, Boogie- und Jazzeinflüssen noch andere Musikgenres, die Du privat gerne hörst? Du hast auf Facebook z.B.: die Rolling Stones geliked.
Sestak: Ja natürlich – jede Menge! Ich höre sehr viele andere Musikrichtungen… New Orleans, Rock ’n‘ Roll, Pop, Funk, Soul, Rhythm & Blues, Klassik – ja sogar Rap, Hip-Hop, Techno und House gefällt mir und ich höre es sehr oft. Dabei ist es selten so, dass ich sagen könnte, die Musikrichtungen gefallen mir generell sondern eher, dass ich nur einige Stücke genial finde. Meistens fällt mir dann aber auch auf, wie viel Ähnlichkeiten es zum Beispiel zwischen Blues und Songs von heute, die mir gefallen, gibt.
JazzZeitung: Deiner Homepage kann man entnehmen, dass Du als Musiker schon viel zu verschiedenen Festivals und Auftritten gereist bist. Unter anderem nach Frankreich, Italien und in die USA. Nächstes Jahr steht Tunesien auf deinem Plan. Reist du gerne oder strengt es Dich auf Dauer an, soviel auf Achse zu sein?
Sestak: Überhaupt nicht! Ich liebe es – gut okay, Fliegen zählt nicht unbedingt zu meinen Lieblingsbeschäftigungen (insbesondere nicht, wenn ich gefühlt mehr Zeit im Flugzeug verbringe, als an dem Ort wo ich spiele). Andererseits gibt es für mich nichts Schöneres und Interessanteres als an den verschiedensten Orten vor den verschiedensten Menschen zu spielen. Es ist einfach wunderschön zu sehen und zu hören, wie Musik Menschen verbindet, egal welche Sprache sie sprechen.
JazzZeitung: Welche Musik ist aktuell in deinem Player im Auto? Welches Album aus 2014 war Dein Favorit und würdest Du der JazzZeitung empfehlen?
Sestak: Schwierige Frage – im Auto und überall ist mein Handy eigentlich mein ständiger Begleiter, das ist voll mit Musik und ich kann immer und überall hören, auf was ich gerade Lust habe (Ich denke, das handhaben die meisten meiner Generation so). Welches Album? Meins natürlich! Nein, ich mache nur Spaß – auch das ist für mich eine schwierige Frage, da ich eigentlich nie direkt nach brandneuer Musik auf der Suche bin, sondern eher zufällig auf einzelne Lieder stoße, die mir zusagen. Was aber auf jeden Fall noch auf meiner To-Do Liste steht, ist der Film „Bayou Maharajah“ über den Pianisten und Sänger James Booker aus New Orleans, der auch eines meiner größten Vorbilder und Inspirationen ist. Der Film wurde dieses Jahr veröffentlicht und ich muss ihn unbedingt noch sehen, denn Booker war meiner Meinung nach ein absolutes Genie.
JazzZeitung: Du spielt neben dem Piano auch Gitarre und Mundharmonika und benutzt deine Stimme, um der Musik mit deinem Gesang „Feuer“ zu geben, wie du dich mal in einem Interview mit „theskykid.com“ ausgedrückt hast. Gibt es also ein Musikinstrument, das dem Piano vielleicht den ersten Platz in deinem Herzen abtrünnig machen kann?
Sestak: Niemals! Das Klavier ist so ein schönes und vielfältiges Instrument. Wobei ich sagen muss, dass auch die Gitarre ein tolles Instrument ist, da kann man sein eigenes Instrument wenigstens immer mitnehmen und ist nicht darauf angewiesen, dass etwas vor Ort ist. Es gibt viele tolle Instrumente, die ich gerne spielen würde, auf „New Way“ begleite ich mich ja bei manchen Stücken selbst auf Snare und Hi-Hat. Ich bin mir sicher, dass ich dem Klavier auf lange Sicht immer treu bleiben werde – denn egal wo ein Klavier steht, da fühle ich mich zuhause.
JazzZeitung: In nicht mal einem Monat, Anfang Januar wirst Du 20 Jahre alt. Wird das ein besonderer Tag für Dich, feierst Du? Und welchen Unterschied macht es für Dich, ein neues Lebensjahrzehnt zu beginnen?
Sestak: Ja, ich weiß und ich fühle mich alt! Da ist sie nun, die 2 davor – aber so viele Gedanken mache ich mir darüber ehrlich gesagt nicht. Ich mache mein Ding weiter so wie bisher und lebe für die Musik – und ich kann mir nicht vorstellen, dass sich das ändern wird, auch wenn die 3, 4 oder 5 davor steht. Gefeiert wird der 20. aber auf jeden Fall!
JazzZeitung: Was war Dein schönster und mitreißendster Moment auf der Bühne?
Sestak: Was ich niemals vergessen werde, ist der Moment, als ich zum ersten Mal in meinem Gymnasium bei einem Kulturfest meinen ersten Boogie öffentlich gespielt habe – ich war damals elf Jahre alt. Ich habe mich hingesetzt und einfach gespielt, dann haben die Leute auf einmal angefangen mitzuklatschen und zu jubeln. Das erste Mal in meinem Leben – ein unglaubliches Gefühl, das ich nie vergessen werde. Von dem Moment an war ich von der Musik nicht wieder loszukriegen. Auch heute noch sind genau diese Momente die schönsten für mich – wenn man merkt wie die Menschen durch die Musik genau das fühlen, was man selbst fühlt – wie Künstler, Instrument und Publikum eins werden.