Es gibt so Tage, da liegt das leere weiße Blatt Papier vor einem und es fällt einem partout nichts ein, womit man es füllen könnte. Für diese Tage – und so einer ist blöderweise heute, für mich – helfen verschiedene Strategien. Eine davon ist das continuous writing. Bei dieser Aufgabe zwingt man sich, einfach immer weiter zu schreiben, um so mit der Zeit und während des Schreibprozesses darauf zu kommen, was man denn eigentlich schreiben könnte. Oft legt man eine zeitliche Grenze fest, um sich einen irgendwie gearteten Rahmen zu stecken. In meinem Fall gebe ich mir jetzt anderthalb Stunden Zeit, was wiederum mit der Höhe des Honorars zusammenhängt, das ich für diesen Blog bekomme. Man darf also nicht aufhören zu schreiben, selbst wenn einem gerade wirklich nichts einfällt. Wirklich nichts einfällt. Wirklich nichts einfällt. Erst wenn man den nächsten Gedanken hat, kommt man weiter voran mit seinem Text. Wobei dieses Repetitive ja durchaus eine eigene Stärke entwickeln kann. Die minimal music von Steve Reich zum Beispiel schöpft einen Großteil ihrer Kraft aus der Wiederholung und minimalen Abwandlung kleiner Motive über einen längeren Zeitraum. Allerdings sind diese Motive bei Steve Reich so kunstvoll ineinander verschachtelt und miteinander verzahnt, dass die Frage aufgeworfen wird, ob die pure Repetition an sich noch keine Stärke besitzt, sondern erst durch den kompositorischen Akt, das Zusammenspiel verschiedener repetitiver Phrasen die nötige Spannung und Stärke erzeugt wird. Zwar gibt es haufenweise Ostinato-Figuren, Riffs oder festgelegte Rhythmen in der Musik, die es schaffen können, Hörer in ihren Bann zu ziehen, in Trance oder tanzende Ekstase zu versetzen, sie rhythmisch klatschen zu lassen und die Kraft der jeweiligen Musik – egal, ob Field Holler oder Funk, Hip-Hop oder Techno – spürbar zu machen; aber sie sind immer nur Teil des Ganzen. Klar, was wären Pachelbels Kanon ohne die kreisende Harmoniefolge, Michael Jacksons „Billie Jean“ ohne den Basslauf, eine Samba ohne die Clave? Aber nur die Harmoniefolge, nur der Basslauf, nur die Clave?
So weit, so einigermaßen gut. Wenn man mit continuous writing aber auch nicht weiterkommt, empfiehlt es sich, den Weg des Intuitiven zu verlassen und in den Analyse-Modus zu wechseln: was habe ich bisher geschrieben? Welche Grundthematik beschäftigt mich, welche Gedankenketten sind dazu aufgetaucht? Ist alles logisch oder gibt es Brüche, Gedankensprünge, Unklarheiten, Denkfehler? Lasse ich das bisher Geschriebene unangetastet stehen, oder korrigiere ich hier und da, streiche Wörter, straffe Passagen, führe Gedankengänge zu Ende? Wo könnte ich anschließen, wie den Text logisch fortführen?
Hieße dieser Blog „Kompositionen über Komposition“, würde ich mich mit dem bisher Geschriebenen wohl nicht zufrieden geben, es eher noch bearbeiten oder sogar als Grundlage für eine ganz neue Version benutzen. So aber lasse ich es genau so stehen – eine (Jazz-)Improvisation geschieht schließlich auch im Moment und lässt sich nicht nachträglich ändern.
Eine andere Strategie wäre gewesen, einfach nichts zu schreiben. Das habe ich mich aber leider nicht getraut.