Eine gelungene Jazz-Improvisation ist wie eine schöne Blüte.
Sie entsteht als Frucht der Arbeit, die die Pflanze vorher geleistet hat – als Samenkorn angefangen, mühsam Wurzeln gebildet und sich als Keimling an die Oberfläche getraut, in Millimeterschritten Blatt für Blatt ausgebildet, an Größe und Widerstandskraft gewonnen, bis sie schließlich stark genug war zu knospen. Fortan hat sie all ihre Kraft in die Ausbildung der Knospe gelegt, bis diese reif genug war, sich zu einer Blüte zu öffnen.
Dieser lange, schwierige und vor allem unbedingt notwendige Prozess ist mindestens ebenso bewundernswert wie die eigentliche Blüte. Aufmerksame Gärtner freuen sich über jeden kleinen Schritt, den die Pflanze macht. Meist aber werden die Nutznießer – die Bienen, die Hummeln, das Publikum – erst dann auf die Pflanze aufmerksam, wenn die Blüte sich bereits geöffnet hat. Das ist jedoch nicht weiter verwunderlich, schließlich erregt nichts an der Pflanze so viel Aufsehen wie seine Blüte.
Eine offene Blüte legt das Erbgut der Pflanze für jeden sichtbar frei und ermöglicht es Betrachtern wie Nutznießern, Freude an ihr zu haben und den jeweils eigenen Nutzen aus ihr zu ziehen.
Jede Pflanze hat ihre „Zielgruppe“ von Nutznießern. Sie wird jedoch, hinreichend günstige Wachstumsbedingungen vorausgesetzt, auch dann so blühen, wie sie möchte, wenn gerade keine Nutznießer in der Nähe sind – sie kann gar nicht anders.
Blattläuse gehören zu den verbreitetsten Schädlingen einer Pflanze. Bleiben sie unentdeckt, vermehren sie sich rasant, saugen den Pflanzensaft aus und führen im schlimmsten Fall zum Eingehen der Pflanze.
Aufmerksame Beobachtung, Pflege und das richtige Maß an Düngung – nicht zu wenig und nicht zu viel – erhöhen daher die Chancen auf besonders üppige Blütenpracht.
Später dann verblüht die Blüte, ihre Farben beginnen zu verblassen, sie welkt und verliert ihre Blätter. Dieser Vorgang ist natürlich und unaufhaltsam. Was bleibt, ist die Erinnerung an ihre einzigartige Schönheit. Und, je nach Art, die Hoffnung auf weitere Blüten. Manche Pflanzen gehen nach einem Jahr ein, andere sprießen Jahr für Jahr erneut. (Haben am Ende also alle Religionen recht?)
Niemandem würde es einfallen, die Relevanz einer blühenden Pflanze anzuzweifeln. Sie erfüllt in dem großen Kosmos Natur eine oder mehrere klare Aufgaben; ihr Fehlen hätte gravierende Konsequenzen für unser Ökosystem.
Ich freue mich schon auf die nächste Blüte und bin gespannt, wie sie aussehen wird.