Wir gratulieren ganz herzlich mit einem Artikel aus unserem Archiv, den Ursula Gaisa anlässlich des Erscheinens seines Albums „Samba do Mar“ 2004 verfasste: Für jemanden, der sich bereits seit über 50 Jahren mit seinem Instrument und dem Jazz auseinandersetzt, noch täglich ein paar Stunden übt – Geburtstage, Feiertage und Silvester nicht ausgenommen – und als junger Musiker aus dem kommunistisch beherrschten Belgrad flüchtete, wirkt Dusko Goykovich heute erstaunlich agil und jugendlich – trotzdem entspannt und mit sich im Einklang.
Zwei Wochen im Dezember verbrachte er – wie schon die Jahre davor – auf Konzerttournee in Japan und musste Hunderte von CDs signieren und sich fotografieren lassen, von diesen Anstrengungen ist ihm während des Interview auch nichts mehr anzumerken. „Die Japaner sind unheimlich freundlich, das ist wunderbar.“ Seine neueste CD „Samba Do Mar“, zu Deutsch „Meeressamba“, mit dem gleichnamigen eigens vom Trompeter komponierten Titelstück ist Ende 2003 bei Enja erschienen. Den Anstoß gab Enja-Chef Matthias Winckelmann. Er brachte Goykovich, der zwar noch nie in Südamerika war, aber schon immer eine Händchen und eine besondere Liebe für jedwede Art von Latino-Sound hatte, mit dem ungarischen in Berlin lebenden Gitarristen Ferenc Snetberger, dem Bassisten Martin Gjakonovski aus Mazedonien und Jarrod Cagwin aus Amerika an den Drums zusammen, herausgekommen ist ein absolut relaxtes Album, das Sonne in den grauen deutschen Winter bringt.
Neben Eigenkompositionen des in München ansässigen Musikers, der ganzjährig durch Europa tourt und zu verschiedensten Workshops eingeladen wird, entdeckte Winckelmann für die Produktion vier Stücke des argentinischen Komponisten Sergio Mihanovich. Es wird aber kurzzeitig mit einem Villa-Lobos-Titel („Bachianas brasileiras No. 5“) und Jobims „Insensatez“ und „No More Blues“ klassisches Repertoire aufgefahren. Bei brasilianischen Temperaturen wurde innerhalb eines Tages im – klimatisierten – Bauer Studio aufgenommen, man verstand sich auf Anhieb, „als wenn wir schon zwei Jahre miteinander gespielt hätten“.
Eine bestimmte Zuhörerschaft hat Goykovich, wenn es seine Musik betreibt, nicht: „Ich spiele, was ich fühle, was ich denke, wie es klingen soll, so dass es musikalisch genau auf mich zugeschnitten ist – ein bestimmter Sound, ein bestimmtes Stück, ein gewisses Feeling. Die Musik muss stimmen, alles andere ist mir egal – Geld, Showbiz, das alles war und ist mir nicht wichtig.“ Oder wie es sein guter Bekannter, Miles Davis, einmal ausdrückte: „It’s not important what you play, it’s important how you play it.“ Trotz der aufregenden Zeiten, die der Trompeter in den 60er-Jahren in New York verlebte – er traf noch alle Größen traf, die einem in den Sinn kommen können (Gillespie, Mulligan, Terry, Konitz, Rollins und und und), lebt Goykovich, der übrigens ans Aufhören nicht einmal denkt, nie in der Vergangenheit, er schmiedet ständig neue Pläne. Im Moment stellt er im Auftrag der serbischen Regierung und der in Belgrad ansässigen Botschaften eine 18-Mann-Big-Band zusammen, mit der er 2004 auf Tour gehen will. Hoffentlich ist sie auch in Deutschland zu hören.
Fotos: Jan Scheffner/enja