Text und Foto von Michael Scheiner – Im Mai 2010 feierten Jazzorchester Regensburg und Uni Jazz Orchester mit dem Bandleader Al Porcino dessen 85. Geburtstag im vollbesetzten Audimax. Am Silvestermorgen, nicht wie von einigen Medien berichtet am 2. Januar, ist der Musiker im Alter von 88 Jahren in seiner Wahlheimat München gestorben. „Wir sind alle wie vor den Kopf gestoßen“, sagt die Trompeterin Annette Neuffer, die elf Jahre in der Bigband ihres „väterlichen Mentors und Lehrers“ gesungen hat. Porcino war in den letzten Jahren häufiger in Regensburg. Meist auf Einladung des Jazzdirektors und Posaunisten Christian Sommerer. Der schätzte die große Erfahrung des Altmeisters sehr hoch und engagierte ihn für Workshops mit Studenten und verschiedenen Big Bands. Porcino folgte diesen Einladungen immer gern, erkannte er doch in Sommerer einen Geisterverwandten, der vieles von dem fortsetzen konnte, was ihm in der Musik und im Leben wichtig war.
Am 14. Mai 1925 in New York City geboren, trat Porcino mit 17 Jahren in das Orchester des berühmten Sängers Louis Prima ein. Nach der Tournee mit Prima wurde die Arbeit in und mit Jazzorchestern zu Porcinos Lebensaufgabe. In den folgenden Jahrzehnten spielte er mit nahezu allen Größen des Jazz von Tommy Dorsey, Woody Herman, Gene Krupa, dem großen Count Basie, in dessen Orchester er der erste „weiße“ Musiker gewesen ist, bis Frank Sinatra, Peggy Lee und Judy Garland und Mel Torme. Vergrämt über den Niedergang der großen Bigband-Ära – die Beatles und Elvis Presley hielt er für die „Totengräber der guten Musik“ – blieb er während einer Europatournee mit dem Thad Jones/Mel Lewis Orchestra 1977 in München und baute hier seine eigene junge Bigband auf. Als Trompter spielte er in mehreren Rundfunkorchestern, organisierte Big Band Meetings und leitete zeitweise die Glen Miller Memorial Band. Unermüdlich hielt er die Fahne swingender Musik aus den Jahrzehnten der Bigband-Ära hoch. Die von Sommerer geleiteten Orchester profitierten nicht nur von Porcinos reichen Kenntnissen, sondern auch von alten Lederkoffern, in denen er massenweise eigene und Bigband-Arrangements aufbewahrte, die ihm Neal Hefti, Bob Brookmeyer, Al Cohn oder andere Kollegen vermacht hatten.
Mit seinem klaren, eleganten Stil auf der Trompete war Al Porcino anfänglich der Mann für die „high notes“, „bis Maynard Ferguson aus Kanada kam“, wie er einmal während eines Konzertes erzählte. Später wurde er „Mr. Leader“, als er in vielen Bigbands den Bläsersatz anführte. Dabei legte er zeit seines Lebens besonderen Wert auf rhythmische Präzision. „Kreuzritter des Swing“ nannten ihn seine Münchner Musiker liebevoll spöttelnd, wenn er mit ihnen zeterte, weil das Zusammenspiel mal wieder nicht so funktionierte, wie es in seinem Kopf klang. „Swing is a many splendored thing“, war eine oft von ihm geäußerter Satz der jetzt handschrifltich sein Sterbebild ziert, „and I intend to keep swinging!“ „Swing ist ein vielschichtig glänzendes Ding und ich habe vor weiter zu swingen!“ Jetzt hat er sich vermutlich mit den ebenfalls kürzlich verstorbenen Yusuf Lateef und Jim Hall verabredet, um im Jazzolymp für lustvoll swingende Power in vollendeter Perfektion zu sorgen.
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