Bisher wurde der Albert-Mangelsdorff-Preis (Deutscher Jazzpreis) der Union Deutscher Jazzmusiker (UDJ) für das Lebenswerk verliehen. Die personell völlig neu aufgestellte UDJ hat sich in diesem Jahr für eine Öffnung der Auswahlkriterien des Preises entschieden. Somit konnte die Jury den Posaunisten und Komponisten Nils Wogram gestern im Rahmen des Jazzfests Berlin als bis dato jüngsten Preisträger ehren. Die mit 15.000 Euro dotierte Auszeichnung wird von der GEMA-Stiftung, dem Förderungs- und Hilfsfonds des Deutschen Komponistenverbandes und der GVL gestiftet. Überreicht wurde der Preis erstmalig in Form einer Trophäe des Berliner Metallbaukünstlers Wolfgang Seidel von Julia Hülsmann, Vorsitzende der Union Deutscher Jazzmusiker.
Die Laudatio hielt der Publizist Hans-Jürgen Linke, der die Arbeit des Preisträgers seit Jahren verfolgt: „Nils Wogram steht mit beiden Beinen in der Jazzgeschichte, aber wie alle Posaunisten hat er seine Beine nicht nur zum Stehen und Geerdetsein. Er bewegt sich, und Jazzgeschichte ist für ihn immer eine Herausforderung zur Aneignung, die durchaus kompliziert ausfallen kann. In Root70 hat er gemeinsam mit Hayden Chisholm mikrotonale Spielweisen entwickelt, mit denen er sein eigenes Verständnis von Jazz auflädt. Vor einigen Jahren gab es zum Beispiel ein Album, das den Bebop feierte und im Titel dessen Mekka, die 52. Straße in New York, trug: Aber das Album hieß nicht einfach „On 52nd Street“, sondern hinter der 52 stand noch eine Bruchzahl: ¼. Und wer sich ein bisschen mit Mikrotonalität befasst hat, ahnt, dass die harmonischen Grundlagen des Bebop bei Vierteltönigkeit nicht intakt bleiben können. So ist bei Nils Wogram immer etwas Doppeltes zu erleben: ein tiefer Respekt vor guten Traditionen und ein ganz eigener, eigensinniger Zugang auf der Höhe seiner, also unserer Zeit. Wer das weiß, wird sich durch Bandnamen wie Nils Wograms Nostalgia Trio nicht in die Irre führen lassen.“ (Auszug aus der Laudatio von Hans-Jürgen Linke)
Im anschließenden Podiumsgespräch zum Thema: „40 Jahre Union Deutscher Jazzmusiker – jetzt erst recht!?“ betonte der Preisträger die Wichtigkeit kontinuierlicher Förderung für Musiker auf struktureller Ebene. Der Vertreter der Bundeskulturpolitik, Siegmund Ehrmann, MdB, sprach sich für eine intensive Bund-Länder Kooperation in Kulturfragen sowie eine stärkere Öffnung der Kulturförderung hin zu Jazz und improvisierter Musik aus. Wolfram Knauer, Direktor des Jazzinstituts Darmstadt, unterstrich die gesellschaftliche Bedeutung der aktuellen Musik; In Deutschland werde nach wie vor Kulturpolitik zu einseitig als Bewahrung des Musikerbes verstanden. Moderiert wurde die Diskussion von Beate Sampson vom Bayerischen Rundfunk.