Bei der Heiligen Messe soll ja gelegentlich der Heilige Geist vorbeischauen. Aber nun wurde auch auf der Frankfurter Buchmesse der „Geist“ gesichtet. Gottfried Honnefelder, Vorsteher des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels, forderte bei der diesjährigen Messeeröffnung den Erhalt der Buchpreisbindung, weil anderenfalls „die Macht des Geldes über den Geist“ siege.
Erstaunlich ist an dieser Formulierung, dass das Medium Buch einfach so mit Geist identifiziert wird, als wäre jeder Buchtitel mindestens Shakespeare oder Kant und das Wort „Geld“ in der Buchbranche unbekannt. Tatsächlich macht der Buchhandel mehr als 30 Prozent seines Umsatzes mit wahnsinnig seriösen „Ratgebern“, weitere 15 Prozent mit enorm geistvollen Kochbüchern. Nur etwa 20 Prozent der Neuheiten fallen ins Gebiet der eigentlichen Literatur, und auch davon noch machen Comics, Geschenkbücher, Thriller und Fantasy-Titel die Hälfte aus. Die rohstoffvernichtende Rundum-Betextungsbranche Belletristik wird derzeit dominiert von solchen Geistesriesen wie Adler-Olsen, Follett, James, Meyer, Paolini, Roche, Rowling.
Ich denke, wir sind uns da einig: Diese unglaubliche Ansammlung von Geist rechtfertigt für Bücher jegliche Preisbindung – wie auch bei Tabakwaren, Arzneimitteln und anderen Drogen – sowie natürlich den ermäßigten Mehrwertsteuersatz, wie er auch für lebende Hausschweine und Milchmischgetränke gilt. Dieser Frankfurter Koch- und Geschenkbücher-Geist ist einfach mit wahrhaftigen Produkten menschlicher Geisteskraft nicht zu vergleichen, etwa Musikaufnahmen der Werke von Bach und Beethoven, Charlie Parker und Keith Jarrett. In der Musik behauptet sich das Geistige weiterhin souverän: unprätentiös, ungebunden, unermäßigt und garantiert ratgeberfrei.