Cullum, cullumer, am cullumsten

In der Musikkritik gibt es Texte, die ob ihrer Hellsichtigkeit und Sprachgewalt in die Ewigkeit eingehen werden. Ich denke an Nietzsches Wagner-Kritik, Adornos „Philosophie der neuen Musik“ oder Ekkehard Josts Studie zum Free Jazz. Auch Lars Langenaus Bericht von Jamie Cullums Auftritt im Circus Krone gehört dazu (November 2010, Süddeutsche Online). Denn selten ist es einem Musikschriftsteller gelungen, einen Musiker in so wenigen Zeilen mit so vielen Tieren zu vergleichen: einem Känguruh [sic, alte Rechtschreibung!], einem energiegeladenen Floh und, ja: „Es hätte nicht viel gefehlt, dann wäre er wie ein Tiger durch einen Feuerring gesprungen.“ Kein Wunder, dass in diesem ganzen Tierzirkus die künstlerischen Maßstäbe ein wenig verschwimmen: Neben Gesang und Klavierspiel seien „Cullums glitzernde schwarze Converse-Turnschuhe“ die „Konstante“ des Abends gewesen, heißt es. Die Schuhe konnte der hüpfende, springende, turnende Känguru-Floh-Tiger ja auch wirklich gut gebrauchen. Die bleibende Botschaft dieses denkwürdigen Texts lautet: Musikalische Kategorien sind bei einer Zirkusvorstellung Nebensache, aber auch generell in rasanter Auflösung begriffen. So gilt der singende, springende Jamie nämlich eingangs noch als „Jazz-Beethoven“, obwohl Beethoven doch gar keine Converse-Turnschuhe kannte. Später wird die sieben Jahre alte Metapher vom „Robbie Williams des Jazz“ zitiert, die wahrscheinlich noch schwerer wiegt als Beethoven. Aber weder Williams noch Beethoven sind schon das letzte Wort: Hüpf-Jamie fällt sogar, so das Fazit, „inzwischen durchaus in die Kategorie des legendären Jazzsängers Kurt Elling“. Gegen den Tiger Elling schrumpft ein Beethoven natürlich zum Floh.

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Ein Kommentar

  1. Vermutlich kamen da ein paar Dinge zusammen, die nicht zusammengehören. Die Nachmittags-Kindervorstellung und ein Konzert mit den 9 Jazz-Tenören.

    Dass die Jazzband ein Tiger wäre, wüsste man seit Varese, Antheil oder Cowell?

Kommentare sind geschlossen.