Ein kleines Ärgernis aus der Vorweihnachtszeit habe ich mir bis nach den Festtagen aufgespart. Wie es der Zeitungsbrauch gebietet, hatte Ende November auch die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung ihre festen und freien Feuilleton-Mitarbeiter – sechzehn an der Zahl – gebeten, „unsere Bücher, CDs und DVDs des Jahres“ ihren Lesern als Geschenkideen oder zu eigenem Nutz und Frommen zu empfehlen. Und was findet dort der Jazz-Freund? Bei der „CD des Jahres“? Fehlanzeige. Unter „Die CD des Moments“ immerhin „Bud Powell 1960 Grugahalle“ (Delta Music Jazzline). Das heißt: von 32 CD-Nennungen nur eine Jazz-Platte, und das auch noch eine, wenn auch ausgezeichnete Wiederaufnahme. Das entspricht einem Prozentsatz von 3,125. Zum Vergleich: Auch die Klassik bekam nur vier Empfehlungen. Dagegen wurden aus dem großen Gemischtwarenladen Pop/Rock/Soul/Folk/Punk 20 Exemplare ausgewählt, natürlich überwiegend, dem Anspruch des Intelligenz-Blattes entsprechend, sehr elitäre „in“-Produktionen – wenn man von Johnny Cash, den Stones, Shakira einmal absieht, Ja, und natürlich auch von Lenas „Cassette Player“. Oder sehe ich das zu elitär?
Dietrich Schlegel
Was jetzt, zu elitär oder doch zu wenig Elite?
Kein Jazz, keine Klassik? Dann hat die Elite wohl die Wahl versäumt…oder der allgemeine Sonntagszeitungs-Redakteur aus Frankfurt hält’s mehr mit Silbereisen?
Teilen sich die ersten 30 Plätze wenigstens Leonard Cohen, Tom Waits und Paulo Conte? Was kann sonst so elitär im schnöden Rock/Pop-Bereich sein, dass man die Nase rümpft?
Wenn der Jazz es allerdings nicht mal mehr unter die Lieblingsplatten von Kulturredakteuren schafft, sollten wir vielleicht am Besten den Roll-Laden runterlassen und nach Hause gehen.
Schade, dass wir kein Schurkenstaat sind, sonst könnten wir die abtrünnigen Redakteure einen Monat bei Wasser und Brot einsperren und ihnen Till Brönners Aktuelle in der Endlosschleife vorspielen. Dann gäbe es im nächsten Jahr auch wieder eine Jazzplatte für die Bestenliste.