Ausgabe September 1998 NEUE
CDs
Teddy Wilson Solo Piano
"The Keystone
Transcriptions"
zirka 19391940
CD Storyville STCD 8258
Autor: Manfred Roth
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Die Scherzfrage, ob nicht doch Mel Powell der bessere Teddy Wilson sei,
bestätigt ja gerade, daß Wilson die zentrale Figur beim klassischen Swing-Piano ist.
Klar, wer Swing-Epochales auflegt, der stößt auf das stilbildende Wilson-Klavier! Mit
seiner bestechend akkuraten, harmonisch-präzisen, bei allem schwarzeleganten Swing
irgendwie "aufgeräumt" wirkenden Spielweise mochte Wilson mitunter etwas
"brav" erscheinen. Doch war er zweifellos die Essenz der Goodman-Kleingruppen
bei den legendären Aufnahmen von 1935 bis Ende der 40er, nicht zu reden von eigenen
Formationen. Wilsons Gentleman Touch inspirierte Unzählige und bewies zusätzlichen Reiz,
wenn der Gentleman mal aus sich heraus und in die Vollen ging. Das macht seine Sob-Takes
besonders interessant. Allerdings blieben da bislang Wünsche offen. Denn die bekannten
"Columbias" der Frühzeit 19341937 wirken z.T. noch etwas schlicht,
während die Spätjahre darunter leiden, daß Wilson bald eine seiner größten Stärken
auf "SparBetrieb" reduzierte: Die aggressiv-bewegliche Dezimen-Linke. Schade,
weil das die federnde Eleganz in Richtung Glätte driften ließ! So dürfte Teddy Wilsons
absolute Glanzzeit als Solist von den Enddreißigern bis Endvierzigern reichen, und genau
in diese Phase treffen die erst jetzt entdeckten Keystone Broadcasting Systems
Transcriptions mit ihren 26 Wilson-Solos. Keystone hatte sie damals im New Yorker Studio
aufgenommen, um sie Radiostationen zum Beispiel als "Pausenmusik" anzubieten.
Ein Glücksfall für uns heute wie für den sensiblen Pianisten im Studio, weil dessen
einzige Vorgabe lautete, alle Stücke auf etwa zweieinhalb Minuten zu begrenzen und
zugunsten der Keystone-Verlagsinteressen eingehörige Anzahl eigener Titel einzuflechten.
Als Folge erleben wir bei tadelloser Aufnahmetechnik einen ungewöhnlich
lokkeren Teddy Wilson, denn der war hier von allen sonstigen Zwängen kommerzieller
PlattenSessions befreit. Fast die Hälfte der Titel sind von ihm, und drei sogar
wunderschöne Blues-Zwölftakter, sonst eine Rarität bei Teddy. Doch auch geläufige
Standards erfreuen ungemein: Etwa das hübsche "Sunday", "At Sundown",
oder ein mit intelligenten Tonartwechseln einfach umwerfendes "Lady Be Good",
das allein schon die Top-Wertung dieser wahren Surprise-CD rechtfertigt. |