Ausgabe Juni
1998 FESTIVAL Montreux Autor: Ralf Dombrowski Fotos: Ssirus W. Pakzad Homepage: |
Alle Jahre wieder erwacht die
kleine Stadt am Genfer See aus dem Kulturschlaf. Buden
werden zusammengeschraubt, an der Uferpromenade entsteht
innnerhalb von wenigen Tagen ein ethnisches Gemisch von
Schaustellern, Außenbühnen und Multikulti-Gastronomen.
Geht es dann mit dem Montreux Jazz Festival richtig los,
sammeln sich in den beiden großen Konzerthallen und an
zahlreichen Nebenschauplätzen Künstler und bis zu
170000 Musikfans aus aller Welt, um an dem
stimmungsvollen Spektakel teilzuhaben. Die Kritik am Programm ist mit den Jahren leiser geworden. Hatten sich zu Anfang die Puristen noch daran gerieben, daß Claude Nobs, der langjährige Leiter des Festivals, es mit der Abgrenzung zu benachbarten Musikbereichen nicht so eng sah, so wurde aus der Offenheit inzwischen ein Prinzip. Und so findet sich auch in diesem Jahr, wenn das Mammuth-Event vom 3.7. bis 18.7. in die 32.Runde geht, ein bunt gemischtes Spektrum verschiedener Stilistiken und Trends im Auditorium Stravinski und der Miles Davis Hall ein. Da sind die moderen Experimentatoren der Popmusik mit ihren Gefolgsleuten aus internationalen Feuilletonisten und Schlabberhosenträger. Gleich zu Beginn bekommen sie einen ganzen Abend zur Verfügung gestellt, um am 3.7. unter dem Banner des progressiven Labels Ninja Tune ihre ästhetischen DJ-Entwürfe der späten Neunziger zu entwickeln. Coldcut, The Herbaliser, Kid Koala und Neotropic werden an Plattentellern, Computern und Video-Leinwänden die muntere Dekonstruktion der überlieferten Wahrnehmungsgewohnheiten vorführen. Nicht ganz so nah am semiotischen Overkill, dafür noch erfolgreicher präsentieren die Elektro-Rocker von Polar, Morcheeba, Tortoise (7.7.) und die Alt-TriphopperInnen Björk und The Asian Dub Foundation (10.7.) die chartvertägliche Variante der gleichen Idee. Eine weitere, gewachsene Tradition wird in diesem Jahr umfangreich gepflegt. Denn Montreux setzt den Ternd der Weltmusik, den es etwa im Fall von Brasilien seit bereits zwei Jahrzehnten pflegt, mit einer Vielzahl klangethnisch Konzerte fort. Das gibt es Kuba mit Los Van Van und Cubanismo! (12.7.), karibisch inspirierte Klänge mit Fonky Family, Positive Black Soul und Raggasonics & The Ruf Cutt Band (10.7.) oder latin-rockige Partystimmung mit Carlos Santana & Friends (9.7.). Da frohlocken die Kelten mit Davy Spillane, Mike Scott, Bob Geldof (6.7.) und tanzen die Spanier wie Joaquin Cortes (13.7.). Da gibt es Mischprogramme wie mit Mísia, Hector Zazou und Ray Lema (11.7.) und natürlich den Brasilien-Schwerpunkt mit zwei prominenten Abenden am Anfang. Diesmal treffen am 4.7. Marisa Monte, Gilberto Gil und Novos Bahianos aufeinander, gefolgt von hierzulande noch kaum bekannten Künstlern wie Antulio Madureira, Alceu Valenca und der Banda Eva (4.7.). Es gibt schwarzen Blues mit B.B.King und Buddy Guy (7.7.), weißen Jazzblues mit John Mayall & The Bluesbreakers, John McLaughlin & The Heart Of Things, Jeff Beck (11.7.) und verschiedene Seitenlinien des Themas wie Keb Mo und Mavis Stappels & Lucky Peterson (8.7.). Gepoppt und gefolkt wird mit Bob Dylan (3.7.), Ben Harper (6.7.) oder auch Phil Collins (14.7.), der heuer das Festival-Plakat gestaltet hat. Und zwischendrin gibt es die improvisierten Töne. Da ist zum Beispiel der Abend mit dem Trompeter Eric Truffaz, dem Trio Lee Konitz / Paul Bley / Charlie Haden (!) und den Jungstars des Nicholas Payton Quintets (5.7.). Die Kenny Wayne Shepherd Band, das Joe Zawinul Syndicate und Herbie Hancocks Reunion-Truppe The Headhunters jazzrocken am 8.7. um die Wette. George Duke, Billy Cobham, John Scofield, Alphonso Johnson widmen im Quartet und am gleichen Abend mit Les McCann & The Magic Band dem 1989 verstorbene WEA-Mogul Nesuhi Ertegün ein Tribute. Mal singen Cassandra Wilson und Al Jarreau (15.7.), mal spielen George Benson und das Michel Petrucciani Sextet (16.7.) auf einer Bühne. Am Abschluß-Wochenende hat der Produzent Sigi Loch schließlich einen ganzen Samstag, um die Schäflein seines Labels ACT Nguyen Le Maghreb & Friends, Nils Landgren Funk Unit und C.C. Kreuschs BlackMudSound im Packet zu präsentieren. So zeigt der kleine Ausschnitt des Programms bereits, daß es auch 1998 wieder kaum möglich sein wird, all das wahrzunehmen, was Montreux anbietet. Einstimmen allerdings kann man sich mit einem soeben erschienenen Sampler "Live In Montreux" (ACT 9001-2), der auf zwei CDs Highlights der vergangnen Jahre von Miles Davis über James Morrison bis zur Riege der berühmten Brasilianer versammelt. Ein gelungener Appetizer, wenn auch kein Ersatz für das Live-Erlebnis am Genfer See! !!! Der Tip für Kenner !!! |
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