Ausgabe Juni
1998 BUCH Gérard Herzhaft, Enzyklopädie des Blues, Hannibal-Verlag, Autor: Reiner Kobe
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Daran
hat es bislang gemangelt, an einem Nachschlagewerk über
den Blues. Gérard Herzhaft, französischer
Schriftsteller, Historiker und Musiker, hat in den
siehziger Jahren die Stätten jener Musik in den U.S.A.
aufgesucht und sich zum profunden Kenner entwickelt.
Seiner "Enzyklopädie des Blues" von 1984
folgten zwei amerikanische Ausgaben und nun die deutsche. Herzhafts Enzyklopädie will "kein Nachschlagewerk mit Vollständigkeitsanspruch" sein, sondern ein "kleiner Wegweiser durch die Geschichte und Welt des Blues", wie im Nachwort betont wird. "Das allererste Werk seiner Art auf der Welt", wie man dem Verlag durchaus zustimmen kann, erforscht "alle Wege des Blues, von den Baumwollfeldern bis zu den großen internationalen Festivals". Analysiert und beschrieben werden "die Strömungen, die Trends, die großen Regionen, die Instrumente und natürlich die Produzenten und Musiker, die den Blues geschaffen haben". Diese empfehlenswerte "Enzyklopädie des Blues" ist also mehr als ein Nachschlagewerk, in dem Namen von A bis Z aufgelistet sind. Freilich ist das alphabetische System beibehalten, doch erfährt es manche Auflockerung. Zwischen den zahlreichen Blues-Interpreten, unter denen müßig darauf hinzuweisen - auf den ersten Blick Bemard Allison, John Mayall oder Odetta fehlen, finden sich Abhandlungen über einzelne Zentren des Blues wie Chicago, Detroit, Kalifomien, Kansas City, Louisiana, Memphis, New Orleans, New York und Texas. Ein Beitrag über "Blues im deutschsprachigen Raum" wurde zugefügt ("Fast ganz verschwunden"). Kapitel über Soul, Boogie Woogie und Zydeco weisen auf bluesverwandte Stile hin. Weniger geglückt ist die Darstellung von einzelnen Labels. Nur "Chess" wurde in seiner Bedeutung entsprechend ("Entstehung und Verbreitung des Chicago-Blues")gewürdigt. Auch einzelne Musikinstrumente werden beschrieben, sogar charakterisiert: Gitarre ("das Bluesinstrument par excellence"), Piano ("in die zweite Reihe gedrängt"), Violine ("im Blues fast ganz verschwunden"), Harmonika ("neben der Bottleneck-Gitarre das charakteristischste Instrument des Blues"), Mandoline ("kaum je viel Spielraum"), Saxophon ("hat in der Welt des Blues anscheinend nichts mehr zu suchen"). Erfreulich, daß auch das von Lippmann und Rau initiierte American Folk Blues Festival anerkennend erwähnt wird. Das 1962 - 1972 durchgeführte Festival, das dann acht Jahre unterbrochen und 1983 ganz eingestellt wurde, "hat Europa dem Blues geöffnet". Nirgendwo sonst findet man so kompakte Zahlen und Daten über einzelne Bluesmusiker wie in Herzhafts Enzyklopädie. Ihr Verdienst wäre noch höher zu bewerten, wenn zu den jeweiligen Jahreszahlen auch die Tage und Monate aufgenommen worden wären. Daß umstrittene Geburtstage gekennzeichnet sind, zeugt von der Gewissenhaftigkeit des Autors, daß auch am Ende eines jeden Beitrages Plattenempfehlungen gegeben werden, von seinem Mut zu subjektiven Bewertungen. Und doch ist ihm mit John Lee Hockers Geburtstag ein mißlicher Fehler unterlaufen. Schade, daß die Fotos so blaß und ausdruckslos geraten sind. Die differenzierte Bibliographie, die kurz kommentierte Diskographie und die wichtigsten aufgelisteten Blues im Anhang ("Die etwa 300 Blues, die wir beschreiben, gehören zu den bekanntesten und meistgespielten in der gesamten Geschichte dieser Musik") schließlich runden den Band ab. Die"Enzyklopädie des Blues" erzählt vom Blues als der "Folklore der Welt" und ist nicht nur, wie es einschränkend heißt, "für die Freunde des Blues verfaßt". Sie gehört in die Hand eines jeden an Musik Interessierten. |
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