Ausgabe Mai
1998 NEUE CD
Roy Eldridge and His Little Jazz Vol.1
Vogue/BMG 74321511412
Autor: Marcus A. Woelfle
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Warum gerade
Trompeter von Louis Armstrong bis Chet Baker und
(um einen Lebenden zu bemühen) Clark Terry die
großen Scat-Sänger der Jazzgeschichte sind, wissen nur
die Götter, und die haben bekanntlich vor den Erfolg den
Schweiß gesetzt. Und schweißtreibend hot war die Musik
des großen Roy "Little Jazz" Eldridge. Noch
bevor er seine Trompete an die Lippen setzt, sind wir
schon von seinen humorig ausgelassenen Vocals auf dem
Opener "It don't Mean A Thing If It Ain't Got That
Swing" (Nomen est omen!) in die beste, an einem
trüben Regentag nur mögliche Laune versetzt, während
er mit Anita Love um die Wette scattet. Das Leben hat
sich schon aufgelichtet, mag danach auch kommen was will.
Und was da alles folgt: Glutvolles Uptempospiel und
seelenvolle Balladeninterpretationen bei
"Wrap Your Troubles In Dreams" sollten sich
angehende Trompeter täglich mittags gen Westen verneigen
reif und noch ohne all die technischen
Altersschwächen, über die wir alle bei seinen späten
Aufnahmen so bereitwillig hinweghören, aber die unser
Eldridge-Bild allein schon auf Grund ihrer Menge geprägt
haben. Zwei eigentümlich besetzte, doch überraschend
homogene Combos standen ihm 1950 in Paris zur Verfügung,
eine mit dem Drummer Kenny Clarke, eine mit dem als
Pianochamäleon bekannten Dick Hyman und dem auf
Sparflamme kochenden Tenoristen Zoot Sims, der zu
Eldridge so gut paßt wie frischer Wind zu einem heißen
Sommertag. Das Booklet rekurriert wieder auf den
Gemeinplatz von Roy Eldridge als "Bindeglied
zwischen Armstrong und Gillespie", aber wie
"Little Jazz" selbst einmal sagte, musizierte
er nicht "um das Bindeglied zwischen Satchmo und
jemand anderem zu sein". Unwillkürlich reduziert
dieses Bild einen Klassiker zu etwas Vorläufigen,
Überganghaften. Ich schlage eine Definition von Eldridge
als Bindeglied zwischen Henry "Red" Allen und
dem frühen Howard McGhee vor, dann erkennen wir
"Little Jazz" wieder als zeitlosen Klassiker,
um den herum die Übergänge stattfinden. Hören wir Roy
Eldridge endlich um seiner selbst willen! |