Ausgabe Mai
1998 NEUE CD Steve Coleman: Autor: Ralf Dombrowski |
Mehr ist weniger.
Steve Coleman greift tief in die Mythenkiste der Archaik.
Diesmal ist es die Schöpfungsgeschichte, die der
ambitionierte Saxophonist und Komponist aus Chicago
musikalisch nachvollzieht. Er hat sich bei der ihm
ergebenen BMG France den Luxus leisten dürfen, zum
ersten Mal auf CD mit großem, von Greg Osby über Ravi
Coltrane bis Reggie Washington prominent besetztem Jazz
Orchester zu arbeiten. Der künstlerische Impetus seiner
"Genesis" ist deutlich: Alles fließt. Colemans
Schöpfung ist ein sich ständig relativierender Strom
rhythmischer Puzzleteilchen, die sich in einem Netzwerk
musikalischer Abhängigkeiten zu einem zuweilen wirr
offenen, nur gelegentlich klar strukturierten und
letztlich reichlich beliebig kompilierten orchestralen
Gesamtklang zusammensetzten. Weniger ist mehr. Die zweite CD der Doppel-Box setzt im Kleinen das fort, was Coleman zuvor mit großer Formation versucht hat. Abgespeckt auf seine aktuelle Variante der Five Elements klingt "The Opening Of The Way - Birth Death Regeneration" zwar ebenso programmatisch afroamerikanisch, findet aber immer wieder zu ausbalancierten Momenten. Locker angefunkt und vertrackt arrangiert verdeutlichen Kompositionen wie "Regeneration" die akustische Idee, durch Rücknahme des harmonisch abendländischen Elements eine rhythmisch-melodische, schwarze Jazz-Ästhetik zu offenbaren, ohne sich dabei im bombastischen Orchesterklang zu verlieren. Vor diesem Hintergrund bekommen auch Colemans ekstatische Redunanzen am Saxophon ihren Sinn und verweisen auf ein künstlerisches Konzept, nicht auf die improvisatorische Eitelkeit eines Instrumentalakrobaten. |
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