Ausgabe Mai
1998 STORY Sänger & Vocal Groups Frauen hatten es immer schon ein bißchen leichter Im Trend: Autor: Ralf Dombrowski Fotos: Ssirus W. Pakzad |
Im Unterschied zur
klassischen Komponiertradition, wo herzschmerzende
Dichter und Komponisten den empfindsamen Bariton-Herren
ganze Liederzyklen in den Mund gelegt haben, oder auch im
Vergleich zum glitzernden Showbetrieb, der sich gerne im
geballten Mittelmaß trällernder Entertainer verdichtet,
sind singende Männer im Jazz eher eine Seltenheit. Schon
in den frühen Tanz-Orchestern war die Stimme das
Instrument der Frau. Denn einfache arbeitstechnische
Erwägungen sorgten dafür, daß dem reizvollen
Geschlecht der prominenteste Platz auf der Bühne
zugewiesen wurde. Jazz spielt man in feinen Clubs,
Hotelbars, Kneipen. Dort sitzen Männer am Tresen,
schließen Männer ihre Geschäfte ab, lassen sich
Männer in den Rausch alkoholisierter Getränke fallen.
Und meistens fungieren auch noch Männer als
Geschäftsführer der Etablissements. Da ist es kein
Wunder, wenn in der Regel Kapellen mit wohlmöglich
gutaussehende Frauen am Mikrophon immer noch gute Chancen
haben, ein Engagement zu bekommen. Aber die Zeiten ändern sich. Waren die vergangenen Herren-Jahre von einigen wenigen erfolgreichen Erbstücken der Vergangenheit wie Jon Hendricks oder Al Jarreau bestimmt, die nur in Ausnahmefällen etwa von Bobby McFerrin Konkurrenz bekamen, tummeln sich inzwischen wieder ganze Scharen jungen Sänger in der Szene. Namen wie Kurt Elling, Kevin Mahogany, Harry Connick Jr., wie Vinx oder Mark Ledford in USA, aber auch wie Peter Fessler, David Linx oder in München Dominik Grimm belegen die neue Lust an der maskulinen Stimme. Denn im Gesang lauert die Authentizität des neuen Mannes, das echte und wahre Gefühl des singenden Individuums, mit dem sich gegen die Unpersönlichkeit der zahllosen Saxophone und Klaviere antreten läßt. Ob allein oder im Verbund, Stimmen sind wieder gefragt. So kommen auch die Vocal Groups zu neuen Ehren, sei es durch ausführliche Auswertung des Back-Kataloges, sei es mit neuen Formationen, die die Kunst des Satzgesangs pflegen. Da gab es zum Beispiel die legendären The Singers Unlimited. 1967 in Chicago gegründet, lebten Bonnie Herman, Don Shelton, Gene Puerling und Len Dresslar zunächst von Jingles und Werbespots. Nur der Zufall in Form von Oscar Peterson brachte sie mit Hans Georg Brunner-Schwer zusammen, der als vermögender Jazz-Liebhaber auf seinem 1969 gegründeten Label MPS so manche klingende, swingende Hifi-Finesse produzierte. Begeistert von dem Demo-Tape, lud er die Singers in seine Villa in den Schwarzwald ein und nahm kurz darauf die ersten beiden LPs "A Capella" und "In Tune" auf. Ein dutzend weitere Alben sollten im Laufe von zehn Jahren folgen, bis die SängerInnen wieder ihre eigenen Wege gingen. Manches Juwel, aber auch mancher Halbedelstein war da dabei, wie sich jetzt anhand der ausspruchsvoll edierten Reissue-Sammlung "Magic Voices" nachvollziehen läßt. In jedem Fall macht die Wiederauflage aller Singers- Unlimited-Alben in einer CD-Box nicht nur längst verschüttetes Ton-Material aus den Siebziger Jahren wieder zugänglich, sondern dokumentiert darüber hinaus, wo all die Manhattan Transfers und Take 6's pfiffige Arrangementideen schon mal vorgeführt bekommen haben. Schwer im Aufwind sind derzeit auch die New York Voices. Eben erst haben sie zusammen mit dem Count Basie Orchestra ihren ersten Grammy gewonnen, schon versuchen sie mit einer neuen Veröffentlichung Akzente zu setzten. "Wir wollten immer schon mal ein Paul Simon Album machen", erzählt Peter Eldridge, einer der beiden Herren der Band. "Immerhin sind wir mit seiner Musik groß geworden. Außerdem ist er ein hervorragender Komponist, der vor allem harmonisch reizvoll unkonventionelle Sachen macht". Den Crossover in die Welt der Popmelodien meistern die New York Voices, sekundiert von Musiker wie Christian McBride und Gil Goldstein, mit unbeschwerter Nonchalence, ohne in die Falle der poppiger Süßlichkeit zu tappen. "Cecilia" mal anders und nicht nur für Kuriositätenjäger. Am eigenständigsten in dieser neu erblühenden Nische sind aber fünf swingende SchwedInnen, die seit kurzem unter dem Namen The Real Group auch über Skandinavien hinaus anfangen, Fans um sich zu sammeln. Bereits 1984 gegründet und seitdem kontinuierlich weiterentwickelt, haben sich die drei Männer und zwei Frauen der Band ein umfangreiches Repertoire aus unterschiedliche Sparten erarbeitet. Denn The Real Group singen alles, was ihnen Spaß macht. Dazu gehören schwedische Volkslieder und Eigenkompositionen ebenso wie Schlager aus fröhlichen Abba- und Beatles-Tagen oder Standards des Great American Songbooks. Für die Fans jazzigen Close-Harmony-Gesangs haben sie gerade das Album "Jazz : Live" veröffentlicht, eine Konzertaufnahme des Schwedischen Rundfunks von 1996 und zugleich ein unbeschwerter musikalischer Streifzug von Lennon/McCartney bis Thelonious Monk. So verändert sich ein wichtiges Segment der Jazzlandschaft derzeit unauffällig aber beständig in Richtung auf einen Wechsel der Autoritäten, der Geschmäcker. Denn wo man singt... Auswahldiskographie: Sänger: * Mark Ledford: Miles 2 Go (Verve Forecast/Motor 537
319-2) Vocal Groups: |
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