Ausgabe April
1998 PORTRAIT 20 Jahre Unterfahrt Autor: Ralf Dombrowski
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Liesl Geipel
kramt in ihren Erinnnerungen: "Als ich das erste Mal
in die Kneipe ging, war sie so versifft, daß ich
vorhatte, nie mehr wiederzukommen. Die Jungs damals waren
schon ganz eine eigene Geschichte. Kam man in die
"Unterfahrt" als Neuer hinein, fühlt man sich
zuerst als Störfaktor. Die waren damals unter sich. Da
ist der Wodka gelaufen, die Wände waren dunkelbraun
gestrichen, auf der Bühne stand ein Billiardtisch,
überall waren kleine Sofas im Raum. Das war mehr Hobby
als ein richtiger Jazzclub. Den Ruf der Unterfahrt hat
dann eigentlich erst Sepp Dachsel in seinen vier Jahren
als Wirt begründet, weil er gute Musik in die Unterfahrt
geholt und sich was getraut hat." So kam Liesl
Geipel schließlich doch wieder in die Räume in der
Kirchenstraße 96, erst als Bedienung, dann seit elf
Jahren als Wirtin. Christiane Böhnke-Geisse ging es ähnlich. Vor bald fünfzehn Jahren kam die agile Programm-Macherin des Jazzclubs durch Zufall während einer Klassenfahrt nach München. Bluesbegeistert zog sie ein Konzert von Louisiana Red in die Unterfahrt. Und so nahmen die Dinge ihren Lauf. Sie zog von Witten an die Isar. Ende 86 begann sie dort ebenfalls als Bedienung, seit Dezember 1989 ist sie mit einer kurzen Unterbrechung verantwortlich für Buchung und Organisation der Konzerte. So kommt es, daß eine gelernte Schneiderin und eine gelernte Krankenschwester Münchens Jazzgeschicke während der vergangenen Dekade maßgeblich bestimmt haben, so daß nun die Unterfahrt stolz ihr 20jähriges Jubiläum feiern kann. Allerdings haben ihnen immer eine Menge musikbegeisterter Freunde und Bekannte geholfen. Da ist zum Beispiel Michael Stückl, der sich seit Anfang 1990 um die Gestaltung des Programmblattes und seit kurzem auch um die Internet-Seite des Clubs verdient gemacht hat (www.jazzrecords.com). Seiner Begeisterung für graphisches Gestalten am Computer ist es zu verdanken, daß aus den maschinenschriftlichen Flugblättern ein ausführlich kommentierter Falter wurde. Da sind die 455 Mitglieder des Förderkreis für Jazz und Malerei e.V., deren finanzielle Unterstützung maßgeblich zur Aufrechterhaltung der künstlerischen Programmqualität beitragen. Schließlich trägt auch noch die Landeshauptstadt München ihren Anteil an der Unterfahrt, indem sie den Verein von Beginn seines Bestehens an mit ansehnlichen Mitteln unterstützt hat. So ist die Unterfahrt weit mehr als andere Jazzclubs Produkt und Forum der einheimischen Szene. Zugleich hat sie sich durch vorteilhafte Programmpolitik im Laufe des vergangenen Jahrzehnts in der Liste der zehn wichtigsten Bühnen in Europa placiert. "Ich hatte mir schon überlegt", erzählt Böhnke-Geisse, "ob ich nicht einfach den März wegen der phänomenalen Besetzung zum Jubiläumsmonat erkläre, mit dem wir unser 20jähriges feiern. Aber dann fand ich den April doch besser, denn er repräsentiert mehr die Leute, die die Unterfahrt im Laufe der Jahre groß gemacht haben. Da sind Musiker wie Henning Sieverts (3.4.) oder Günter Klatt (7.4.), Helmut Kagerer (9.4.) oder Roberto Di Gioia (15.4.), Joe Haider (17.4.), Aki Takase (21.4.) oder Jürgen Seefelder (23.4.), die früher zum Teil einmal im Monat bei uns gespielt haben. Und das ist mit Mike Uitz (13.4.) sogar eines von den Gründungsmitgliedern des Clubs auf der Bühne dabei. Denn es war mir wichtig, daß viele Münchner im Jubelmonat dabei sind, wobei ich natürlich auch viele aus Platzgründen gar nicht mit aufnehmen konnte." Sei's drum, das Programm ist hervorragend und findet mit Johannes Enders' "Tenor Madness" (Enders, Tony Lakatos ts; Roberto Di Gioia p; Marc Abrams b; Falk Willis dr) noch einen spektakulären Abschluß. So darf kräftig gefeiert werden, auch wenn die Zukunft der Unterfahrt immer noch nicht ganz entschieden ist. Denn so schön die neuen Räume im "Einstein" (Block 49 zwischen Kirchen- und Einsteinstraße) sind, die sich die Unterfahrt gemeinsam mit dem Freien Musikzentrum, dem Theater rechts der Isar und dem Kim Kino von September an teilen will, so sehr wird dieser Umzug auch ein Kraftakt werden, der wieder alle Freunde und Förderer auf den Plan ruft. Immerhin, es ist nicht das erste Mal, daß so ein Vorhaben gelingt... |
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