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Ausgabe April 1998

FESTIVALS

Mit dem Frühling kommt
auch der Jazz

Vorschau auf die Festivals in
Germering
Kempten
Wendelstein

Autor: Reinhard Köchl

Stefan HolsteinGenießen Sie den Frühling. Endlich mit dem Cabrio über`s Land zu fahren, dabei vielleicht zwar nicht die ersten, aber die bislang wärmsten Sonnenstrahlen genießen zu können. Wohl dem, der bei so viel optimistischer Lebensperspektive auch noch ein konkretes Ziel vor Augen hat. Denn Frühlingsgefühle sind auch Swinggefühle, das weiß jeder, der sich alljährlich mit dem weißblauen Jazz-Veranstaltungskalender auseinandersetzt und darin immer wieder auf eine ganze Latte teilweise opulent bestückter, durchwegs spannend konstruierter Festivals quer durch alle Stilrichtungen und Generationen trifft. Nachdem noch die letzten Töne der 29. Internationalen Jazzwoche Burghausen nachhallen, herrscht gerade in Germering, Kempten und Wendelstein hektische Betriebsamkeit: Pianos werden auf Hochglanz poliert, die Mikrophone aufgesteckt und die Hallen, Clubs oder Kneipen bestuhlt. Und wie könnte es auch anders sein: selbstverständlich läßt der Kartenvorverkauf Interessierten noch fast alle Möglichkeiten zur schnellen Disposition, wobei allzu langes überlegen freilich hie und da einen unvergeßliches Live-Erlebnis jäh zunichte machen könnte.

Germeringer Jazz Tage ‘98

In Germering zum Beispiel, wo die Jazz Tage nach den Abwärtstrends der vergangenen Jahr nun einen Neubeginn wagen, besteht bei den Veranstaltern durchaus die berechtigte Hoffnung, den einen oder anderen Act auszuverkaufen. Daß Kulturamtschef Günter Mayr heuer die künstlerische Gesamtleitung in die Hände von Manfred Rehm, den Chef des für seine programmatische Vielfalt und Einzigartigkeit bekannten Neuburger "Birdland"-Jazzclubs, legte, mag durchaus als Garant für die in Germering zuletzt schmerzliche vermisste Abwechslung zu verstehen sein. Die sieben Performances präsentieren sich komprimiert auf Freitag, 24. April, Freitag, 1. Mai, und Sonntag, 3. Mai, im Orlandosaal der Stadthalle, wobei schon am ersten Abend der Publikumsmagnet Rabih Abou-Khalil für einen geglückten Start sorgen soll. Denn der libanesische Oud-Virtuose lockt mit einer Mixtur aus dem Jazz des Okzidents und den Weisen des Orients seit über zehn Jahren die Menschen scharenweise in die Säle. Seinen flirrenden, süchtig machenden Cocktail kredenzt er diesmal zusammen mit dem Violinisten Marc Feldman, der Nummer zwei im aktuellen "Down Beat"-Poll hinter dem im Dezember verstorbenen Stéphane Grappelli, Michel Godard (Tuba), Mark Nauseef (Drums) und Nabil Kahlat (Frame Drums). Interessant zu werden verspricht freilich auch die am gleichen Tag stattfindende Kollaboration dreier fester Größen der Münchner Szene. Der Klarinettist Stephan Holstein, der Gitarrist Martin Scales und "Baß-Professor" Thomas Stabenow wollen mit ihrem Projekt "Blues Today" den Blues auf subtile, leise Weise sezieren, wobei sie dabei auch vor Themen von Jimi Hendrix oder Cream nicht zurückschrecken (19 Uhr).

Gelegenheit, dem "Mann am Klavier" ein Bier zu bringen und ihm dabei gleich zum 70. Geburtstags zu gratulieren, gibt es am 1. Mai (21 Uhr). Paul Kuhn würde sich sicher darüber freuen, denn schließlich bedeutet sein Gig in Germering zusammen mit der niederländischen Sängerin Greetje Kauffeld einen weiteren Schritt zurück in das von ihm so sehr geliebte und während seiner Showkarriere oft schmerzlich vermisste Jazzareal. Für gepflegt-elegant swingenden Mainstream steht der Schlußtag mit dem pulsierenden Trio des Schlagzeugers Jeff Hamilton (20 Uhr) und dem "Working"-Quintett der in Wien lebenden Trompeten-Instanz Art Farmer (21 Uhr), in dem sich unter anderem so renommierte Instrumentalisten wie der Pianist Fritz Pauer oder der Tenorsaxophonist Harry Sokal tummeln. Karten für die Germeringer Jazz Tage ‘98 gibt es beim SW-Kartenservice (Tel.: 089/8949015) und bei allen bekannten Vorverkaufsstellen in München.

14. Kemptener Jazz-Frühling

Eine geballte Dosis Frühlingsgefühle kann man zur selben Zeit weiter südwärts inhalieren. Zum mittlerweile 14. Mal fällt ein wesentlicher Teil des Allgäus von Samstag, 25. April, bis einschließlich Sonntag, 3. Mai, beim Kompetent Jazzfrühling in einen kollektiven Swingtaumel. In Kneipen, Kirchen, im Jugendhaus, in einem Kauf- und einem Autohaus, im Krankenhaus, ja sogar im ehrwürdigen Rathaus steigen insgesamt 80 (!) Konzerte, bei denen Puristen und Avantgardisten, Oldtimefans und Bebopfreaks ihre ganz persönliche Nische finden Können. Den Auftakt macht traditionell ein Open-Air am Rathausplatz mit den Roaring Zucchinis, der Martin Babel Brass Band und den Jailhouse Jazzmen (10.30 Uhr bis 14 Uhr). Als zentraler Veranstaltungsort fungiert einmal mehr die Jazzhalle Hofgarten, zunächst am Sonntag, 26. April, und Montag, 27. April, für jeweils eine Blues Gala mit der Blues Bigband von Abi Wallenstein und Henry Heggen sowie Carey Bell & Band (18 Uhr). Der US-Tenorsaxophonist und ehemalige Mitstreiter des verstorbenen Drummers Ed Blackwell, Carlos Ward, kommt mit Quartett in die Sing & Musikschule (Dienstag, 28. April, 20 Uhr), während das internationale Percussion Project des Gitarristen Sigi Schwab die Jazzhalle Hofgarten am Mittwoch, 29. April, (hoffentlich) bevölkert (20 Uhr).

Einer der beiden erklärten Topstars des diesjährigen Jazz-Frühlings heilt Paquito D`Rivera, ist Saxophonist und Klarinettist, Exil-Kubaner und möchte mit seiner aktuellen Gruppe ganz im Geiste Dizzy Gillespies eine brodelnde Cubop-Suppe anrühren (Donnerstag, 30. April, 20 Uhr, Jazzhalle Hofgarten). Der andere trägt den wohlklingenden Namen George Shearing und legt am Samstag, 2. Mai, seine immer noch unvergleichlichen Händchen in die Tasten des Pianos (20 Uhr, Jazzhalle Hofgarten). Die Münchner Szene liefert beim Jazz Up To Date am Freitag, 1. Mai, in Gestalt von Harald Rüschenbaums Quintett sowie Max Neissendorfers Trio & Guests (20 Uhr, Jazzhalle Hofgarten) und durch Joe Kienemanns Trio im Swing-Club/Valentin (Samstag, 2. Mai, 21 Uhr) ihre Visitenkarte ab.

5. New Orleans Music Festival Wendelstein

Steht Kempten steht für (eine gewisse traditionell orientierte) Vielfalt, gibt sich Wendelstein seit geraumer Zeit ein Motto, das den Besucher ganz bewußt an die Wiege des Jazz & Blues zurückführt. An 19 Veranstaltungsorten im Fränkischen keimt zum fünften Mal der Spirit des heißen amerikanischen Südens, "Big Easy" an der Schwarzach sozusagen. Das 5. New Orleans Music Festival Wendelstein haben die fahrenden Anhänger von Dixieland und Blues längst knallrot in ihrem Kalender angestrichen, diesmal ebenso wie Kempten an neun bewegten und beswingten Tagen von Samstag, 25. April, bis Sonntag, 3. Mai. Wendelstein wäre nicht Wendelstein, würde es keine Straßenparaden, Riverboat-Shuffles auf dem Rhein Main-Donau-Kanal, Creole Cuisines bei den Hallenkonzerten und urwüchsig spirituell ausgerichtete Gospel-Events in Kirchen bieten und nicht wieder Marc H. Morial, den Bürgermeister von New Orleans, als Schirmherren des ambitionierten Festivals präsentieren.

Die Funktion des Headliners bei insgesamt 60 Gigs obliegt den hochkarätig besetzten Festival Allstars mit dem Trompeter Benny Bailey, dem Posaunisten Gene "Mighty Flea" Conners, Hal Singer, Reggie Moore, Jimmy Woode und Alvin Queen (Samstag, 2. Mai, 19.30 Uhr, Schwarzachhalle, Röthenbach), die in einem opulenten Dreifachkonzert mit der Frauenband Swinging Ladies sowie dem Tribut an die kürzlich verstorbene Blues-Legende Jimmy Witherspoon durch die Cross Cut Band um den Sänger Ron Ringwood ein "Finale Furioso" gestalten sollen. Doch selbst die leiseren Töne verdienen in Wendelstein durchaus Beachtung. Etwa das Siggi Gerhardt Swingtet mit Greetje Kauffeld und der erlauchte Frankfurter Zirkel, den der Tenorsaxophonist Gustl Mayer mit dem Vibraphonisten Fritz Hartschuh, dem Bassisten Günter Lenz und Kurt Bong, dem Leiter der Bigband des Hessischen Rundfunk, da zusammengetrommelt hat (beide Montag, 27. April, 19.30 Uhr, Schwarzachhhalle).

Informationen: Markt Wendelstein, Kulturreferat, Postfach 1160, 90523 Wendelstein, Tel.: 09129/401120 sowie Fax: 09129/401207.

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