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Ausgabe März 1998

NEUE CDs

Art By Heart Records:

Bernd Lhotzky
Colin Dawson:
"Sophisticated"
ABH 2003 2

Helmut Nieberle
Helmut Kagerer:

"Skyliner "
ABH 2001 2

Christian Willisohn
Lillian Boutté:

"Come Together"
ABH 2002 2

Autor:
Manfred Roth

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Die von Christian Willisohn zusammen mit Klavierbauer-Freund Rainer Schmidt begründeten "Art By Heart Records" stellten ihre ersten drei CDs vor. Ein mutiger Dreisprung für den bekannten Münchner "Piano-Blueser" und Bandleader mit der kraftvoll-rauhen Stimme und seiner Maxime, die zum Namensgeber für das junge Unternehmen geworden sein mag: "Musik aus vollem Herzen!"

Neben dieser philosophisch-sympathischen Facette gefallen die drei Produktionen auf Anhieb durch gewisse Gemeinsamkeiten: Erstens bringen sie ausschließlich Duos zu Gehör. Gruppen also, die intimes Musizieren und absolutes Miteinander nicht nur fördern, sondern fordern. Zweitens scheint Willisohn als Produzent "mit langer Leine" zu arbeiten, denn die Interpreten haben und nutzen viel Spielraum, sie können ihre Vorstellungen realisieren. Und, nicht zuletzt, die Hüllengestaltung von Sascha Kletzsch ist einfach traumhaft: Eine Dreier-Serie "wie aus einem Guß" und dennoch individuell! Sie müßte durch ihre Verbindung von Top-Fotografie mit sensibler Anordnung geschmackliche Bestnoten eintragen und stellt jedenfalls die gewohnten Designs auch von Groß-Produzenten in den Schatten.

Wesentlichen Anteil daran hat die Idee, auf die übliche Plastik-Box zu verzichten und stattdessen eine Doppelhülle aus Karton ähnlich den früheren LP-Doppelalben zu nehmen. Was völlig andere Gestaltungsräume schafft und zugleich einen nostalgischen Schub auslöst, für den gerade Jazzer empfänglich sein dürften.

Bernd Lhotzky Colin Dawson: "Sophisticated"
.Lush Life – Lover – Everything I Have Is Yours – Poor Butterfly – I’ve Grown Accustomed To Her Face – Pick Yourself Up – Sophisticated Lady – My Very Good Friend The Milkman – Just One Of Those Things – A Hundred Years From Today – My Romance – Love For Sale – Farewell Roker Park. Colin Dawson (tp), Bernd Lhotzky (p). Art by Heart Records ABH 2003 2

Die "Sophisticated"-CD erinnert an die Vorliebe der Briten für eine Duo-Variante, die schon viel Freude gemacht hat: Trompete mit Klavier! Und wer da, gar nicht zu reden von den Duos um Oscar Peterson oder Ruby Braff, nur mal an Humphrey Lyttleton mit Mike Pyne oder Alex Welsh mit Fred Hunt zurückdenkt, der wird finden: Recht haben sie, die Engländer!

Nun, Trompeter Colin Dawson kommt von der Insel, und sein Zusammentreffen mit Stride-König Bernd Lhotzky muß von Haus aus als Glücksfall gelten! Denn seit Armstrongs und Hines’ Zeiten hat wohl kein Klavierstil so gute Voraussetzungen beigesteuert wie das Harlem Stride Piano mit seinen orchesternahen Möglichkeiten.

Bei wem allerdings eingedenk bravouröser Lhotzky-Auftritte der Spaß mit virtuosen Sprungbaß-Schwelgereien und Stride-Paradepferden à la "Handful Of Keys" endet, der steht möglicherweise in der falschen Schlange bei dieser CD. Ihr Titel "Sophisticated" ist kein Zufall, und im Bedeutungs-Spielraum von "kultiviert, raffiniert" bis "abgehoben" wird das Kind durchaus beim Namen genannt.

Analog: Colin Dawson vermag als klassisch geschulter Spitzentrompeter nicht bloß für kräftigen "Lead" beim Oldtime oder für modernen Mainstream bei Swing-Formationen zu sorgen, sondern er besitzt dank fabelhafter Intonation und Phrasierung auch eine reiche lyrische Ausdruckspalette.

Darauf wird bei "Sophisticated" abgehoben. Beide Herren formulieren in etwas lapidar geratenen Statements – sie ersetzen hier die "Liner Notes" – ihr diesbezügliches Credo: Die Qualität einer Komposition wirke für sich allein, sie honoriere die Bescheidenheit des Interpreten. Und: Hier wären einige der schönsten Stücke dieses Jahrhunderts!

Na ja, angesichts der Vielzahl wunderschöner und längst zu immergrünen Klassikern gewordener Titel läßt sich bei den dreizehn einer CD streiten, warum gerade dieser und nicht lieber jener ...! Jedenfalls aber entstand ein geschmackvoller Strauß genußbringender Piècen aus den Songbooks der ganz Großen, von Cole Porter über Ellington/Strayhorn bis zu Richard Rodgers und vielen anderen.

Dieser Schatztruhe nähern sich Trompeter und Pianist behutsam und bescheiden, wie ja angekündigt. Auch mit sensiblem Aufeinderhören: da fährt keiner dem anderen in musikantischem Eifer in die Parade. Was aber nicht bedeutet, man würde sich deshalb weniger mitteilen. Im Gegenteil!

Mit diesen Zutaten kann beim ersten unkonzentriert-lässigen "Nebenbeihören" manches ein bißchen akademisch-grazil anmuten. Ein Akzent, der bei richtigem Zuhören verschwindet und vielleicht daher kommt, daß Jazzer-Sinne meistens von glutvollen Verschmelzungen und seltener von "sophisticated Feelings" berührt werden.

Fazit: Dawson und Lhotzky wollten etwas besonders Schönes machen und taten es hier. Oder – feine Musiker mit feiner Musik!

Acht der Titel haben langsame Tempi, das herrliche "Poor Butterfly" kommt "medium", und nur vier sind schnell. Also nichts für "Dancings", eher was für Kamin und Abendlicht und ein Glas Wein, oder zwei. Die ebenso dichte wie durchgängige Schönheit der Musik verträgt – gebietet eventuell sogar – Unterbrechungen.

Des Rezensenten Lieblingstitel: "Sophisticated Lady", "Love For Sale", "Lush Life", natürlich ... Schmarrn: eigentlich alle!

Helmut Nieberle
Helmut Kagerer:
Skyliner

Skyliner – Django’s Castle – Taking A Chance On Love – Snow Waltz – Gone With The Wind – Just One Of These Things – Poevis – Augustine – Monk Medley – Just You, Just Me – Flecki’s Walk – Moppin’ The Bride – Green Dolphin Street – Ain’t Misbehavin’ – Spring Is Here – lt’s Never Too Late For The Blues. Helmut Nieberle & Helmut Kagerer (guitars). Art By Heart Records ABH 2001 2

Auch die "Skyliner"-CD weckt vom Start weg Sympathien, weil das Gitarren-Duo von Helmut Nieberle und Helmut Kagerer jazzige Sehnsüchte stillt, die zum Beispiel in den 60er und 70er Jahren bei den legendären "Collaborations" von Herb Ellis, Joe Pass, Charlie Byrd und Attila Zoller entstanden sein mögen. Was aber die beiden Ausnahme-Gitarristen – 1991 mit dem Bayerischen Kulturpreis für Jazz geehrt – keinesfalls zu Epigonen stempelt. Dafür sind Nieberle wie Kagerer viel zu individuell ausentwickelt. Sie haben ihre eigenen Vorbilder längst verarbeitet, und man kann jeden an seinem persönlichen "Erkennungston" gut ausmachen.

Die neue CD – inzwischen die dritte – belegt die in rund zehn Jahren gewachsene Reife ihres Zusammenspiels: Es ist perfekt mit seinen weichen, fließenden Läufen sowie phantasievoll variierten Motiven. Es zeigt Witz, besten Geschmack, kommt mit federndem Swing und verrät einen nahezu telepathisch funktionierenden "Draht" zueinander.

Reife gilt auch für die Repertoire-Abfolge der CD, die ganz normale Standards – darunter Charlie Barnets "Skyliner" aus den 40ern als Titellieferant – mit "Originals" vermengt, von denen Kagerers "Snow Waltz" und Nieberles "Flecki’s Walk" sofort zu Rezensenten-Lieblingen wurden. Und das liegt beispielsweise beim letztgenannten Stück nicht bloß an der gemeinsamen Zuneigung zu Hunden ("Flecki’s Walk" ist ein hübscher "Medium-Bounce", der den schon reichlich "gemessenen" Gang von Nieberles 13jährigem Hund beschreibt)!

Das völlig Unlangweilige der Produktion beruht auch darauf, daß hier zwei Könner ganz unterschiedliche Saiten anschlagen, sinnbildlich gemeint. Instrumental ebenso: Man wechselt von der "Gibson L5" zur "Seven-String" und zu akustischen Gitarren, wo angebracht.

Wie und wodurch auch immer, die CD macht dem Hörer Appetit, sie jederzeit hören zu wollen. Ob "nebenbei" im Auto-Radio und im Walkman-Kopfhörer beim entspannten Schlendern, oder aber (und das ist doch was!) beim hochkonzentrierten "Verschlingen in einem Stück" ... so wie man seine Bücher las! Wer übrigens beim vorgenannten Hörer/Musik-Appetit auf sogenannte leichte Kost im Sinne von "seicht" schließt, der liegt voll daneben!

Christian Willisohn,
Lillian Boutté:
Come Together
No One – Gee Baby, Ain’t I Good To You – Come Together – I Got It Bad – Thibodeaux Twister – I Wish I Could Be Free – Fourty Four Blues – You’ve Got A Friend – Please Send Me Someone To Love – No Mission But You – Get Right Church – Laughing On The Outside. Christian Willisohn (p, g, voc), Lillian Boutté (voc). Art By Heart Records ABH 2002 2

Vertrieb aller genannter ABH-CDs: "Musik Direkt Regler" Remnatsried 8, D-87675 Stötten Tel: (08349) 97 05 Fax: (08349) 97 04.

Das Duo der "Come Together"-CD bringt Gesang mit Klavier, wobei Pianist Christian Willisohn eine veritable Mehrfachbesetzung darstellt: In sieben der zwölf Titel ist seine gutturale, unglaublich "schwarze" Stimme mit der von Lillian Botté vereint, bei zwei Nummern wechselt er überdies vom Piano zur Gitarre – "unplugged".

Wer Boutté und Willisohn unlängst "live" erlebte – samt entsprechenden Publikumsreaktionen – der wettet auf deren CD als Bestseller. Das kann stimmen oder nicht und sagt gar nichts über den Wert oder Unwert anderer Richtungen. Doch es zeigt erneut, daß die schlichte, "ehrliche" Emotionalität des Blues den Weg zum Herzen des Publikums besonders schnell findet. Jedenfalls dann, wenn die Aufführung "stimmt". Das tut sie bei diesem Duo.

Beide, die farbige Sängerin aus New Orleans wie der Münchner Pianist und Sänger, sind absolute "Blues People", und für ihren langjährigen Zusammenhalt gibt es gute Gründe: Willisohn hat auf seiner bald zwei Jahrzehnte währenden "Suche nach Mehr" jede Spezies des Blues buchstäblich "begriffen", hat sich autodidaktisch gemüht und ist immer dem eigentlichen Herzstück namens "Blues & Related Stuff" bzw. sich selbst treu geblieben. So formten sich seine pianistischen und stimmlichen Mittel.

Lillian Boutté, einst von Martin Luther King als "a voice in a million" bemerkt, verkörpert mit amerikanischer Professionalität und einfach umwerfendem Temperament jene Entertainer-Eigenschaften, die Bühne und Publikum miteinander verschmelzen lassen können – mal in Jubel, mal in andächtiger Stille. Bouttés typische Gospel & Blues-Stimme hat den machtvollen Strahl, der das hochgereckte Mikrofon scheinbar von selbst über dem Kopf der Sängerin schweben läßt. Eine Stimme, die sich oft in "Blue Notes" senkt und mit ihren reichen Obertönen in großzügiger Intonation schwelgt.

Dieses Freudenfest im Saal ist nicht unbedingt auf CD übertragbar. Das Visuelle – Charme und Dynamik – ohnehin nicht, und Machtfülle wie Freizügigkeit dieser Stimme sind im Studio "gedeckelt". Da gibt es zwangsläufig Einbußen, die bezeichnenderweise bei den Gesangsduetten kaum auffallen – hier nimmt ja einer den anderen "an die Hand".

überhaupt ist Christian Willisohns Gesang eine Würdigung wert, denn er hat ihn wie kaum ein anderer Europäer ausentwickelt. Während sein Solo-Piano, früher meist virtuos-aggressive "Boogie & Blues Originals", in Richtung "New Orleans-Piano" und balladesken Blues-Songs eher zurückgenommen wurde, gewannen die "Vocals" hinsichtlich Modulation, Intonation, Ausdruck, Differenziertheit und Authentizität ständig an Substanz.

Das beeinflußte auch die Favoriten-Kür bei dieser CD: Natürlich Don Redmans "Gee Baby, Ain’t I Good To You", auch Beatles-Song und Titel-Nummer "Come Together" – doch dann mit "Fourty Four Blues" und "Get Right Church" zwei der bluesigsten Takes seit Ewigkeiten. Bei ihnen spielt Willisohn Gitarre statt Klavier, überhaupt nicht glanzvoll-auffällig, doch so was von authentisch und stimmig!

Zusammen mit dem Vokal-Duett eine traumschöne Blues-Lektion ... "Art By Heart" eben, "Kunst aus vollem Herzen". Salut zu dieser CD-Serie mit ihren drei autarken Stilarten!

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